Tierschutz braucht Landtierärzte

20.02.2019

Alles nur geträumt?

Tierschutz braucht Landtierärzte

Leider stellt die Politik den von den tierärztlichen Verbänden beklagten Landtierarztmangel mit seinen erheblichen Folgen für die (wohnortnahe) Versorgung von Tieren immer noch in Frage. Dabei sinken die Zahlen bei den niedergelassenen Nutztier- und Gemischt- praktikern seit Jahren. Ein Blick in die Stellenmärkte und auf fallende Verkaufspreise bei Landpraxen belegt eindeutig, dass der Landtierarztmangel real ist und an manchen Stellen sogar schon zu Versorgungslücken führt. Was kann dagegen getan werden?

Ein bislang unterschätztes Problem

Damit die Problematik endlich auch von der Politik ernst genommen wird, hat der bpt das Thema in den Mittelpunkt seines Messeauftritts bei der Grünen Woche 2019 in Berlin gestellt. Zahlreiche Medien (Fernsehen, Radio, Zeitungen) haben das Thema in der Folge aufgegriffen und darüber berichtet. Außerdem hat am 8. Februar ein Fachgespräch im Landtag von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf stattgefunden, das vom agrarpolitischen Sprecher der NRW-Grünen, Norwich Rüsse (MdL), initiiert wurde. Neben Dr. Matthias Link, Nutztierpraktiker aus Niedersachsen, und Dr. Ines Advena, Amtstierärztin aus Nordrhein-Westfalen, hatte bpt-Geschäftsführer Heiko Färber Gelegenheit, die Position des bpt-Bundesverbandes darzulegen.

Aber wo liegt eigentlich das Problem?

Zunehmende Versorgungslücken beim Notdienst in der Nacht und am Wochenende (und absehbar auch bei der Tierseuchenbekämpfung), mit unter Umständen gravierenden Folgen für den Tierschutz, sind die absehbaren Folgen eines bereits seit Jahren zu beobachtenden Rückgangs bei der Zahl von Gemischtpraxen. Nicht nur die Nutztierpraxen, vor allem die Gemischtpraxen haben bisher fast selbstverständlich die ‚wohnortnahe‘ Versorgung der Tiere zur Verfügung gestellt. Vor allem sie sind es aber, die im Wettbewerb mit den spezialisierte(re)n Nutztier-, Kleintier- und Pferdepraxen, aber auch im Wettbewerb um angestellte Tierärzte/innen unter Druck kommen und leider auch oft das Nachsehen haben. Die Folge: Gemischtpraxen verschwinden vom Markt und hinterlassen Lücken, die nur schwer zu schließen sind.  

Und was jetzt?

Fest steht, dass schnell gegengesteuert werden muss, wenn die bislang bewährten Strukturen in den nächsten Jahren nicht peu à peu verschwinden sollen. Bei vielen Gemischtpraxen wird in den nächsten Jahren die Entscheidung anstehen, ob und wie es weitergeht. Aus Sicht des bpt gilt es deshalb, zügig die folgenden Punkte anzupacken:  

  • Gezieltere Auswahl von Studierenden: Grundsätzlich werden pro Jahr ausreichend Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland ausgebildet. Allerdings lässt der geringe Anteil von Männern unter den Studienplatzbewerbern (15% in 2018) vermuten, dass vor allem der Abiturnote zu viel Gewicht bei der Zulassung zum Studium zukommt. Auch gilt es, künftig noch besser sicherzustellen, dass bei den Bewerbern/innen eine realistische Einschätzung des Berufsbildes, der Rahmenbedingungen und des Tätigkeitsspektrums von Tierärzten/innen vorhanden ist. Die von der Kultusministerkonferenz aktuell diskutierte Reform des Zulassungsverfahrens (Abiturnote – Medizinertest – Talentquote) reicht jedenfalls nicht aus, um hier zu einer gezielteren und praxisnäheren Auswahl zu kommen. Weil die Zulassung das einzig sinnvolle Steuerungsinstrument ist, sollte es in Zukunft besser genutzt werden.
  • Bessere Verzahnung von Praxis und Universität: Rund ein Viertel der Studienzeit ist in der Tiermedizin Praktikum. So viel wie in kaum einem anderen Studienfach. Praxisinhaber sollten deshalb das Praktikum effektiver nutzen, um die ‚passenden‘ (späteren) Angestellten kennenzulernen und zur Mitarbeit in der Praxis zu motivieren. Umgekehrt sollten auch die Studierenden erkennen, dass es im Praktikum darum gehen muss, eigene Interessen und (zukünftige) Arbeitgeber besser kennenzulernen.
  • Bessere Bezahlung: Völlig unzureichende Anpassungen der Gebührenordnungen (12% in 2008, 12% in 2017) sind der Hauptgrund, dass Tiermedizin in Deutschland im EU-Vergleich so billig ist. Die wirtschaftliche Situation vieler Praxen lässt vor diesem Hintergrund vielfach keine höheren Angestelltengehälter zu. Vor allem die Gemischtpraxen bekommen diesen Trend voll zu spüren und haben Probleme, geeigneten Nachwuchs zu finden. Eine schnelle und deutliche Anpassung der Gebührenordnung ist deshalb unabdingbar.
  • Flexiblere Arbeitszeitgestaltung: Durch immer mehr angestellte Tierärzte/innen steht in Summe künftig weniger Arbeitszeit zur Verfügung als in der Inhaber geprägten Vergangenheit. Hinzu kommen die teilweise unflexiblen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, was die Sicherstellung eines Notdienstes und einer effektiven Tierseuchenbekämpfung kaum planbar macht. Da es auf absehbare Zeit auch keinen Tarifvertrag für die angestellten Tierärzte/innen geben wird (keine Tarifpartner), braucht es für die Tiermedizin eine gesetzliche Ausnahmeregelung, mit der im Einzelfall von den starren Vorgaben abgewichen werden kann.

Politik ist dringend gefordert

Unter den Teilnehmern des Fachgesprächs am 8. Februar in Düsseldorf bestand jedenfalls große Einigkeit, dass die Politik handeln muss, bevor es zu spät ist und die (bislang) bewährten Strukturen zerstört sind. Der Erhalt der Landtierarztpraxen wird vor allem auch deshalb als wichtig gesehen, um das im Grundgesetz postulierte Staatsziel Tierschutz effektiv und flächendeckend umsetzen zu können. Unterschiedliche Ansätze gab es weniger über das Ziel als über den Weg dorthin. Während die einen eher marktwirtschaftlich-regulatorischen Lösungen (bessere Auswahl Studierende, GOT-Anpassung, flexiblere Arbeitszeitregelungen) den Vorzug gaben, sehen andere den Staat als Akteur, der mit der Initiierung von Förderprogrammen für Landtierarztpraxen, oder dem skandinavischen Vorbild folgend, dem Betrieb von Notdienstpraxen, selbst tätig werden sollte. Norwich Rüsse kündigte zum Schluss der Veranstaltung jedenfalls an, dass er das Fachgespräch sorgfältig auswerten wird und einen Antrag zu dem Thema in den NRW-Landtag einbringen will.



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