13.08.2021
Nicht nur der bpt, sondern viele andere Verbände kommen zu anderen
rechtlichen Bewertungen als sie von MdEP Martin Häusling und einigen wenigen
anderen Personen vorgebracht werden. Hier z. B. die entsprechende Tierhalterinformation
der Bundestierärztekammer oder auch
die Informationen des Bundesverbandes für Tiergesundheit und des Europäischen Tierärzteverbandes FVE.
Es erschreckt uns, wie amateurhaft hier in einem Gesetzgebungsverfahren
vorgegangen wird. Jeder sollte zuerst die EU-VO 2019/6 im Detail lesen, die die
Grundlagen für den jetzt diskutierten Nachfolgerechtsakt legt. Dann wird
vielleicht auch deutlich, welche umfangreichen Änderungen sowohl in der
Systematik als auch im Inhalt notwendig wären, um eine Ausnahme für eine
Einzeltierbehandlung in dieser Verordnung zu schaffen.
Mal ganz abgesehen davon, dass nach dem bisherigen Wissensstand der verschiedenen Verbände der Wille auf Seiten der Kommission und der Mitgliedsstaaten nicht gegeben ist, diesen Änderungsprozess zu starten, liegt es nun an MdEP Martin Häusling, als zuständigem Berichterstatter des EU-Umweltausschusses, zu klären, wie die EU-Verordnung 2019/06 bis zur ihrer Anwendung ab 28. Januar 2022 noch geändert werden kann.
Wir als bpt fordern das EU-Parlament auf, den ursprünglich von der Kommission vorgelegten, wissenschaftlich fundierten Entwurf der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) für die Kategorisierung der Antibiotika, der in Abstimmung mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), dem Europäischen Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), der Welttiergesundheitsorganisation (OIE) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erarbeitet wurde und rechtssystematisch abgeklärt ist, anzunehmen.
Sollte jedoch das eintreten, was die Verbände jetzt befürchten, wären
die direkten Folgen - insbesondere für die Behandlung von vielen Tierarten, wie
Meerschweinchen, Exoten, Zootieren, Pferden u.v.a. - dramatisch. Es würde die
sehr merkwürdige Situation entstehen, dass Nutztiere noch über Jahre bis zum
Entzug der Zulassung wie bisher behandelt werden können, die betroffenen Tierarten
jedoch schon ab dem nächsten Jahr dem dann schon greifendenden Umwidmungsverbot
unterliegen würden und eventuell nicht mehr behandelt werden könnten. Dieses
Umwidmungsverbot greift sofort, wenn entsprechende Wirkstoffe nach dem jetzt
diskutierten delegierten Rechtsakt für die Humanmedizin reserviert werden.
Wenn es darum geht, die Tierhaltung zu verändern, muss für die dafür
notwendigen Mehrheiten bei der Änderung des Tierschutz- und
Tiergesundheitsgesetzes oder der Tierhaltungsverordnung gesorgt werden. Die
Antibiotikadebatte ist jedenfalls der falsche Hebel für eine solche
Systemdebatte.
Für uns Tierärzte/innen ist jedenfalls klar, dass alle kranken Tiere behandelt
werden müssen, egal unter welchen Bedingungen sie leben. Man sollte endlich
aufhören, uns bei jeder Gelegenheit immer wieder in die Ecke von
‚Drogendealern‘ zu stellen und andere Unwahrheiten zu verbreiten. Das hat schon
einmal nicht verfangen, das wird noch weniger im Bundestagswahlkampf 2021 gelingen.
Im Gegensatz zur Humanmedizin hat die Tiermedizin in den letzten Jahren
nämlich ihre Arbeit gemacht und eindrucksvoll den verantwortungsvoller Umgang durch
eine erheblich Reduktion von Antibiotika um 60 Prozent unter Beweis gestellt.
Dr. Siegfried
Moder PD
Dr. habil. Andreas Palzer
(bpt-Präsident) (bpt-Präsidiumsmitglied)